Unsere Fahrt nach Seelisberg
Donnerstag, 15. September 1932
Der Morgen des mit Freuden erwarteten Tages fand uns beim Bahnhof, von wo uns zwei neue SBB Wagen nach Alpnach brachten. Einige schauten etwas pessimistisch nach dem Wetter aus. Die meisten aber hofften frohgemut, es werde noch besser. In der Folge durchbrach auch die Sonne sieghaft die Nebel und ehe wir noch am Bestimmungsort waren, leuchtete uns der herrlichste Herbsttag.
In Alpnachstad wartete unser ein kleiner nagelneuer und sogar beflaggter Dampfer. Wir waren ein paar so kühn, die Vermutung auszusprechen, die Fahne und Fähnchen wären eigens uns zu Ehre und Willkomm da. Heimlich wussten wir aber ziemlich sicher, dass der Schiffsschmuck von der Centenarfeier (Hundertjahrfeier) am Sonntag herrühre. Bei strahlendem Sonnenschein unter Singen und lachen fuhren wir der Treib entgegen. Was tat’s wenn Eine nach jedem halben Kilometer ein Rotzloch zu sehen meinte, die Stimmung der in der Geographie besser bewanderten, litt bestimmt nicht darunter.
In der Treib wurde, während das Drahtseilbähnchen mit der ersten Hälfte von uns Frauen hinauffuhr, das historische Wirtshaus zur Treib besichtigt, ob aus Wissens oder Malagadurst, bleibe dahingestellt. In Seelisberg galt unser erster Besuch dem Gotteshaus und nach dem Mittagessen vereinigte uns eine Andacht in der Gnadenkapelle. 120 Mütter flehten hier innig und vertrauensvoll nur Gnade und Hilfe bei der lieben Frau von Sonnenberg. Unser hochw. Herr Präses hielt eine kurze Ansprache und ein paar Marienlieder beschlossen die einfache aber erhebende Feier. Es hiess sich also hier ausgezeichnet das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden der Ausflug nach einem der schönsten Fleckchen rings des Vierwaldstättersees und zugleich Wallfahrt zu einem bekannten Marienheiligtum.
Um 3 Uhr war gemeinsames «Zabä» im Garten des Pilgerhauses. Als dabei gar zwei Telegramme kamen aus der Heimat, da waren die Gesichter alle ein einziges grosse Fragezeigen, die einen verrieten schon die Angst vor Unheilvollem. Doch löste sich die Spannung zum Glück in herzliches Lachen auf als unser Herr Präses den Inhalt bekannt gab. Einige Männer schrieben, wie sie den einzig schönen Tag feiern wollen. Doch liesen sie zu unserer Genugtung schon «lengi Ziti» durchblicken und hiessen uns willkommen am Abend.
Nach dem Kaffee besichtigten wir ein bisschen Seelisberg. Einige suchten das Seeli, oder den wundervollen Aussichtspunkt Marienhöhe auf. Die Beinverwehrer blieben auf der zum Grand Hotel gehörenden Felsterrasse und genossen von da die wunderbare Aussicht. Um halb 6 Uhr hiess es Abschied nehmen und das Bähnchen trug uns wieder bergab. Grad mit uns kam unser Dampferli wieder in der Treib an. Zu unserer Freude lenkte er den Kurs auf Veranlassung unseres Herr Präses auf die Wiege unserer Freiheit zu. Begeistert wurde das Rütlilied angestimmt. Wir bedauerten nur, dass es nicht mehr Strophen hatte. Lieb Vaterlang magst ruhig sein; solang deine Frauen dir mit solchen Patriotismus Lieder singen und sogar mit erhobenem Finger die Treue schwören, werden sie wohl auch deine Jugend zu ächten Patrioten erziehen. Nun machte unser Schiff wieder kehrt und steuerte ganz nahe an Gersau, Vitznau und Weggis vorüber heimzu. In wunderbarer Beleuchtung der scheidenten Sonne gestaltete sich die ganze Heimfahrt auf dem See zu einem Erlebnis schönster Art.
Etwas darf ich noch nicht vergessen, nämlich die Veteranenfeier, die wir auf dem Schiff hielten. Wenn man mit 81 Jahren noch so unternehmungslustig auf Reise geht, so ist das gewiss nichts alltägliches. Und über die 70 zählten wohl an die 5 – 6. Denen allen wurde mit Begeisterung ein dreifaches Hoch gesungen. Von Alpnachstad schnaufte das Brünig Bähnli mit uns wieder Lungern zu wo wir von vielen Angehörigen begrüsst wurden. Auf allen Gesichtern glänzte noch die Freude des schönen Erlebnisses. Und es sei auch hier unserem hochw. Herrn Präses gedankt, weil er das Ganze so ausgezeichnet arrangiert hat.
Frau Vogler-Enz, Aktuarin